Geliebter Andreas, Mal wieder Sonntagabend. Eine weitere Woche ohne dich überstanden. Das Gefühlsleben weiterhin dunkelbunt und keine Besserung in Sicht. Der Frühling scheint es jetzt wirklich ernst zu meinen, aber das ändert nichts an unserem Leben. Ich will nicht abstreiten, dass die Sonnenstrahlen gut tun, aber der Großteil unserer Gedanken ist bei dir. Der Schmerz lässt nicht nach. Wenigstens kann ich mich soweit zurückhalten, dass ich derzeit keine Trauerliteratur lese, auch wenn ich noch ungelesene Bücher habe, irgendwann wird es mich wieder überfallen und dann muss es sein. Dein Grab haben wir frisch bepflanzt. Petrus fand das wohl nicht so gut und hat am Freitag Hagel drauf geschickt. Mal sehen, ob sich Pflanzen wieder erholen. Netti und ich waren am Freitag in Leipzig. Joe Bonamassa hat dort gespielt. Es war ein schöner Abend. Er ist ein wirklich begnadeter Gitarrist. Ansonsten stelle ich bei mir im täglichen Leben eine seltsame Gleichgültigkeit fest. Nichts hebt mich an, aber auch gar nichts. Ich stehe auf, gehe zur Arbeit, fahre heim, besuche dich auf dem Friedhof, bemühe mich, die Fellnasen zu bespaßen, gehe ins Bett und bin froh über jeden Tag, den ich ablegen darf. Heute Nachmittag waren wir bei Steffi und Alex. Die beiden kämpfen mit Pupertätsproblemen. Der Terrorzwerg ist schon heftig. Bei den beiden Temperamentsbolzen fehlt einfach eine ruhige, ausgleichend wirkende Person. Irgendwann wird schon Vernuft beim Terrorzwerg dazukommen. Es kostet halt nur unendlich viel Kraft und Nerven. Ja, so ist das Leben. Jeder hat sein Päckchen, manche auch Pakete, zu tragen. Wir haben einen Schwerlasttransport. In der Hoffnung, dass du im Licht bist senden wir dir eine weitere Kerze für deinen Weg. Deine zurückgelassenen Eltern.