Lieber Andreas, heute wieder einige Zeilen für dich in der Hoffnung, dass diese dich irgendwie erreichen. Die Zeit eilt dahin. Es ist erschreckend, wie wir alle so einfach funktionieren. Sicherlich auch ein Stück weit Eigenschutz. Wir tappeln so durchs Leben ohne Plan und Ziel, wir machen eben einfach. Es ist irre. Vergangenes Wochenende hat Steffi uns besucht. Wir haben Forellen gegrillt und uns gut unterhalten. Es ist wirklich immer sehr erfrischend mit Steffi, auch wenn sie es nicht gerade leicht hat. Das Pubertier macht sie schon manchmal zu schaffen. Aber wir sind guter Zuversicht, dass die beiden das alles in den Griff kriegen. Du fehlst auch ihr nach wie vor sehr. Trotz eures Altersunterschiedes habt ihr zwei doch super als Paar zusammengespielt. Wir würden ihr so sehr gönnen, dass sie wieder einen passenden Partner findet. Fest steht aber auch, dass es jeder nach dir verdammt schwer hat. Nun hat die Fußball WM begonnen. Die letzte haben wir noch teilweise zusammen geschaut. Und schon sind wir wieder in der Vergangenheit. Es war eben vor vier Jahren alles wesentlich unbeschwerter. Nie im Leben hätten wir gedacht, dass wir dich auf diese Weise verlieren könnten. Es gibt vermutlich kaum Eltern, die mit so einem Ereignis rechnen. Ein Suizid ist einfach nicht zu begreifen. Das "WARUM" steht nicht mehr direkt neben uns, es ist aber immer da. Wir wissen auch nicht, ob es leichter wäre, wenn wir wüssten warum. Der tiefe Schmerz, die sich nicht mehr gebende Sehnsucht, die Trauer - all dies würde uns eine Erklärung sicherlich auch nicht nehmen. Unterschwellig sind da auch immer Schuldgefühle im Spiel, wobei ich nicht wirklich sagen kann, was wir vielleicht falsch gemacht haben. Wir müssen damit leben, ob wir wollen oder nicht. Die Öffentlichkeit scheint sich langsam an die Materie ran zu tasten. Diese Woche war im Wurstblatt TA zu lesen, dass bekannt ist, dass viele junge Menschen in deinem Alter mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, viele die Sache mit sich ausmachen und dabei scheitern. Aber was hilft es. Das ganze System in diesem Land ist krank. Wir wissen auch keine Lösung für diese Erscheinungen. Jedenfalls ist diese Gesellschaft für Menschen mit Empathie, Feinfühligkeit und Umsicht nicht gemacht. Die Prinzen haben es schon richtig beschrieben:"... du musst ein Schwein sein auf dieser Welt..." Wir haben jedenfalls das Liebste, was wir jemals hatten, hergeben müssen. Wir vermissen dich jeden Tag und es tut auch jeden Tag weh. Dennoch müssen wir hier aushalten und so senden wir dir für deinen Weg diese Kerze. Wir hoffen und wünschen uns, dass du deinen Frieden hast, auch wenn wir den Krieg davor nicht kennen. Deine traurigen Eltern