Lieber Andreas, der Fasching hat seine Hochzeit erreicht und steuert damit auch auf das Ende zu. Wir waren gestern zum Umzug, haben Steffi, Elke und Dieter getroffen. Das Wetter war sehr gut, aber es wäre wesentlich besser gewesen, wenn du irgendwo im Publikum gewesen wärst. Es ist alles schwer zu tragen und dennoch stellen wir uns den Herausforderungen des Alltags. Wir müssen mit deiner Entscheidung leben. Am Abend war ich mit Netti seit Jahren mal wieder zum Bluesfasching. Diese Musik ist genau das Richtige, wenn man gar nicht wirklich sagen kann, wie es einem geht. Diese Woche ist in Erfurt jemand vom Dach des InterCity Hotels gesprungen. Sicherlich war er auch verzweifelt, sonst kommt man nicht auf so eine Idee. Ob es wirklich ein Suizid werden sollte kann ich nicht sagen und es ist auch völlig unwichtig. Schlimm sind die Kommentare der Umwelt, da wird am Fenster geglotzt, Fotos gemacht und die dann auch noch verteilt. Die Schmerzgrenzen der Menschen scheinen derart abgesunken und Geschmacklosigkeiten kaum zu unterbieten. Am Mittagstisch in der letzten Woche wurde auch in meiner Anwesenheit fröhlich und munter über jemanden geurteilt, der wohl mit Absicht irgendwo mit dem Auto vor einen Baum gefahren sein soll. Ich könnte einfach nur kotzen. Ich muss es so drastisch ausdrücken. Mögen all diese Heinis in ihrem Leben von der Erfahrung eine Suizides verschont bleiben. Aber da ist es eben wieder, das Leben geht weiter und für das Umfeld wesentlich früher, als für die Betroffenen. Keiner ahnt diese schwere, wohl nie endende Trauer, die Sehnsucht und den Schmerz, der wohl nie vergehen wird. Wir senden dir auch diese Woche ein Licht für deinen Weg und hoffen, dass du im Licht bist. Deine zurückgelassenen Eltern.
