Geliebter Andreas, es ist mal wieder Sonntag. Auch, wenn es heute ein wunderschöner Tag war, so es aber auch immer nur ein weiterer Sonntag in der Gewißheit, kein Kind mehr zu haben. Auch die Gewißheit, dass nach uns nichts mehr kommt rückt täglich fester ins Bewusstsein. Dieses Bewusstsein zieht zwangsläufig einen gewissen Grad an Gleichgültigkeit nach sich. Es ist gut, dass die Sonne sich nun öfter zeigt, damit wir nicht gänzlich in Egalität verfallen. Wir haben diese Woche zum ersten Mal Marions Geburtstag ohne Achim versucht zu begehen. Alles ist wieder präsent. Die Zeit heilt keine Wunden, dies können wir mit Entschiedenheit in die Welt hinausposaunen. Der Schmerz wird lediglich etwas leichter zu tragen. Es wird nicht wieder gut. Am Wochende haben wir die Wohnzimmermödel entsorgt und Platz für Neues geschaffen. Beim ausräumen sind uns wieder Dinge von dir in die Hände gefallen. Es ist einfach nur Schei... Auch im Jahr Vier stehen noch deine Schuhe im Schuhschrank, deine Sachen sind in den Schränken. Wir kriegen es einfach nicht hin. Also alles Zeichen, dass wir zwar ein völlig neues Leben haben, aber noch lange nicht angekommen sind. Die einzige Freude sind die Fellnasen. Beide sind gesund und jeder, auf seine Art, irgendwie auch witzig. Zur Zeit ist es bitterkalt. Wir waren heute Vormittag eine große Runde. Der Weg führte uns auch nach Oberroßla. Papa meinte nur, dass wir heute sicherlich keinen Rieseneiszapfen nach Hause tragen werden. Du bist eben immer dabei und so wird es auch bleiben. Wir vermissen dich so unendlich. In der Hoffnung, dass es dir gut geht, verbunden mit ewiger Liebe und schmerzender Sehnsucht senden wir dir dieses Licht. Deine zurückgelassenen Eltern.
